Ab Ende Juli gelten für Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaa¬ten der Europäischen Union, die Arbeitnehmer für eine Dienstleistung nach Deutschland entsenden, strengere Regeln. Dafür sorgt das neue Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), mit dem Deutschland die überarbeitete Entsenderichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2018/957/ in nationales Recht übersetzt. Mit ihr will die EU den Schutz der Arbeitnehmer stärken.

In der Bauwirtschaft in Deutschland waren im Jahr 2019 rund 86.000 Arbeitnehmer tätig, die von ausländischen Betrieben auf Baustellen nach Deutschland entsandt wurden. Das sind etwa 11 % aller Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe. Für diese Arbeitnehmer gilt unter anderem der in der deutschen Bauwirtschaft tarifvertraglich vereinbarte Mindestlohn. Künftig müssen Arbeitgeber dabei an entsandte Arbeitnehmer in der Baubranche auch Zuschläge für Überstunden, Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit nach den deutschen Regelungen zahlen. Bislang war bei diesen Zuschlägen das jeweilige Recht des Heimatlands anzuwenden. Aus dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) ergibt sich außerdem nun, dass diese Arbeitnehmer auch Anspruch auf Erschwerniszuschläge erhalten. Mit dem neuen Gesetz wird klargestellt, dass Kosten der Entsendung, also Reise-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten, nicht mehr Teil des Bruttolohns sein dürfen. Arbeitgeber dürfen diese Kosten nicht als Bestandteil des Mindestlohns zahlen. Wenn der Arbeitgeber nur durch die Übernahme dieser Kosten die Mindestlohnhöhe erreicht, unterschreitet er in Wahrheit also den Mindestlohn. Das ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro belegt werden kann.

Diese Änderungen haben Auswirkungen auf das Urlaubskassenverfahren, das die Sozialkas¬sen der Bauwirtschaft (Soka-Bau), Wiesbaden, durchführen. Auch entsandte Arbeitnehmer nehmen an diesem Verfahren teil und haben einen Urlaubsanspruch einschließlich der Urlaubsvergütung nach den tarifvertraglichen Bestimmungen der Branche. Die Beiträge, die ihr Arbeitgeber an Soka-Bau zahlen muss, richten sich dabei nach den Bruttolöhnen, die sich durch die Neuregelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erhöhen können.

Veränderungen gibt es auch bei der Dauer der Entsendung. Ab Ende Juli gelten für Arbeitneh¬mer, die länger als zwölf Monate nach Deutschland entsandt werden, die deutschen Arbeits¬bedingungen in vollem Umfang. Diese Zeitspanne kann durch schriftliche Mitteilung an den Zoll auf 18 Monate verlängert werden.

Bei der Unterbringung der entsandten Mitarbeiter ist nunmehr klargestellt, dass der Arbeitgeber die Vorgaben der deutschen Arbeitsstättenverordnung einhalten muss, wenn er selbst diese Unterkünfte bereitstellt oder vermittelt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Arbeitnehmer unter unwürdigen Bedingungen untergebracht werden, wie sie gerade in jüngerer Zeit aus anderen Branchen bekannt geworden sind. Auch die Einschaltung eines Zwischenvermittlers befreit die Arbeitgeber nicht von dieser Verpflichtung.

Der Zoll kontrolliert in Deutschland, dass die bisherigen und künftigen Regelungen eingehalten werden. Soka-Bau steht im Kampf gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit im engen Austausch mit dem Zoll und trägt Sorge dafür, dass ausländische Unternehmen der Bauwirt¬schaft korrekt am Urlaubskassenverfahren teilnehmen. Dazu stehen bei Soka-Bau Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereit, die in 14 europäischen Sprachen Beratung und Unterstützung leisten.

Kommentar Pietschmann Legal: Die wirtschaftlich fragwürdige Regelung behindert die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Wirtschaftsraum der Europäischen Union. Sie legt den Unternehmen weitere Pflichten zur Kontrolle von Nachunternehmern auf, um die Einhaltung dieser Regeln sicherzustellen. Die erforderlichen Nachweise sind im Zweifel nur dann gegenüber dem Zoll zu erbringen, wenn täglich aktuelle Personeneinsatzlisten mit exakten Zeitfenstern des eingesetzten gewerblichen Personals vorliegen. Ferner wird davon auszugehen sein, dass der Auftraggeber zumindest stichprobenhaft prüft, ob der Nachunternehmer gegenüber seinem Personal die Personaleinsatzpläne auch tatsächlich einhält. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass die öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe von Bauleistungen nicht stärker in die Pflicht genommen werden. Es werden zum Teil Leistungen für Preise vergeben, welche den Mindestlohn, und nunmehr auch die weiteren Lohnzusatzkosten, klar erkennbar nicht beinhalten können. Bei vielen Gewerken ist auf ersten Blick für jeden Auftraggeber erkennbar, dass die Preisgestaltung einer einfachen Aufteilung zwischen Stoff- und Lohnkosten unterfällt. Beispielsweise lässt sich bei den Angebotspreisen für das Liefern und Verlegen von Bewehrungsstahl aus dem nahezu feststehenden Stahlpreis ableiten, welcher Betrag für die Deckung der Lohnkosten verbleibt. Wenn bei einem typischen Aufwandswert von rund 11 Stunden je Tonne zu verlegender Bewehrungsstahl nur zwei Euro nach Abzug der Materialkosten übrig bleiben, ist klar, dass dieser Preis nicht auskömmlich sein kann. Da die Aufwandswerte zur Ermittlung des Lohnaufwandes einer Arbeitsleistung Gegenstand vieler Publikationen sind, hat der öffentliche Auftraggeber hier hinreichend Informationen, um bei den zentralen Gewerken prüfen zu können, ob auskömmliche Preise vorliegen. Es ist zwingend geboten, dass öffentliche Auftraggeber nur solche Angebote als wirtschaftlich und geeignet berücksichtigen, die erkennbar den Anforderungen an die Mindestlöhne und Lohnzusatzkosten entsprechen. Die Anforderungen an die Prüfung des Kriteriums der Auskömmlichkeit der Angebotspreise ist erheblich zu erhöhen. § 44 II UVgO (vgl. auch § 60 II S. 1 VgV) legen dem Auftraggeber bei stichhaltigen Gründen eine Prüfungspflicht auf. Diese Vorschriften werden in der Praxis jedoch selten angewendet. Hier droht auch keine Kontrolle des Zolls, wenn der Auftraggeber nicht stichhaltig geprüft hat.

Schlagworte

  • Priorität des Gesundheitsschutzes
  • Bauvorhaben des Bundes möglichst weiter betreiben
  • Einstellung nur aufgrund behördlicher Maßnahmen, Einzelfallprüfung
  • Corona-Pandemie als „Höhere Gewalt“
  • keine Änderungen an der bisherigen Darlegungs- und Beweislast
  • allgemeine Bezugnahme auf die Corona-Krise regelmäßig unzureichend

 

Das BMI hat in seinem Erlass vom 23. März 2020 zu bauvertraglichen Fragestellungen für die Baustellen des Bundes Stellung genommen. Es stellt klar, dass dem Gesundheitsschutz auch im Baubereich Priorität einzuräumen ist und weist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung des SiGeKo (Sicherheits- und Gesundheitskoordinator) nach § 3 BaustellenV und auf die Empfehlungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.

Klargestellt wird, dass die Baustellen des Bundes möglichst weiter betrieben werden sollen und eine Einstellung der Baumaßnahmen nur im Einzelfall etwa aufgrund entsprechender behördlicher Maßnahmen in Betracht kommt.

Das BMI hält die Corona-Pandemie für grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt zu erfüllen, weist aber darauf hin, dass eine Prüfung des Einzelfalles notwendig ist. Wer sich auf das Vorliegen der höheren Gewalt beruft, hat die Darlegungs- und Beweislast zu tragen, wobei mögliche Schwierigkeiten in der Beschaffung entsprechender Nachweise berücksichtigt werden sollen. Sowohl für den Auftragnehmer als auch den Auftraggeber gelten dabei die gleichen Voraussetzungen. Beruft sich eine der Parteien zu Recht auf den Tatbestand der höheren Gewalt, so verlängern sich die Ausführungsfristen um die Dauer der Behinderung zuzüglich der Wiederaufnahme der Arbeiten. Dabei soll der Auftragnehmer keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zu befürchten haben; der Auftraggeber soll nicht in Annahmeverzug geraten.

Gestellte Rechnungen sind unverzüglich zu prüfen und zu begleichen. Die Möglichkeit der Vorauszahlung gegen Bürgschaftsleistung ist grundsätzlich gegeben und soll im Einzelfall hinsichtlich des zu erwartenden Erfolgs geprüft werden. Auf handschriftliche Vermerke zur sachlichen und rechnerischen Richtigkeit von Rechnungen kann verzichtet werden, wenn die entsprechen Feststellung mit separater Mail erfolgt, die eine eindeutige Zuordnung zur Rechnung ermöglicht und den Bescheinigenden ausweist.

Der Erlass gilt seit dem 23. März 2020.

Wir weisen nochmals darauf hin, dass sich der Erlass auf die Baustellen des Bundes bezieht und deshalb auch nur insoweit verbindlich Anwendung findet. Er kann allerdings Signalwirkung auch für die Bauvorhaben zwischen Privaten entfalten.

Mit seinem Erlass schafft das BMI eine allgemeine Handlungsanweisung für die Baustellen des Bundes und stellt somit eine gleichmäßige Rechtsanwendung sicher.

Schlagworte

  • Priorität des Gesundheitsschutzes
  • Bauvorhaben des Bundes möglichst weiter betreiben
  • Einstellung nur aufgrund behördlicher Maßnahmen, Einzelfallprüfung
  • Corona-Pandemie als „Höhere Gewalt“
  • keine Änderungen an der bisherigen Darlegungs- und Beweislast
  • allgemeine Bezugnahme auf die Corona-Krise regelmäßig unzureichend

 

Das BMI hat in seinem Erlass vom 23. März 2020 zu bauvertraglichen Fragestellungen für die Baustellen des Bundes Stellung genommen. Es stellt klar, dass dem Gesundheitsschutz auch im Baubereich Priorität einzuräumen ist und weist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung des SiGeKo (Sicherheits- und Gesundheitskoordinator) nach § 3 BaustellenV und auf die Empfehlungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.

Klargestellt wird, dass die Baustellen des Bundes möglichst weiter betrieben werden sollen und eine Einstellung der Baumaßnahmen nur im Einzelfall etwa aufgrund entsprechender behördlicher Maßnahmen in Betracht kommt.

Das BMI hält die Corona-Pandemie für grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt zu erfüllen, weist aber darauf hin, dass eine Prüfung des Einzelfalles notwendig ist. Wer sich auf das Vorliegen der höheren Gewalt beruft, hat die Darlegungs- und Beweislast zu tragen, wobei mögliche Schwierigkeiten in der Beschaffung entsprechender Nachweise berücksichtigt werden sollen. Sowohl für den Auftragnehmer als auch den Auftraggeber gelten dabei die gleichen Voraussetzungen. Beruft sich eine der Parteien zu Recht auf den Tatbestand der höheren Gewalt, so verlängern sich die Ausführungsfristen um die Dauer der Behinderung zuzüglich der Wiederaufnahme der Arbeiten. Dabei soll der Auftragnehmer keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zu befürchten haben; der Auftraggeber soll nicht in Annahmeverzug geraten.

Gestellte Rechnungen sind unverzüglich zu prüfen und zu begleichen. Die Möglichkeit der Vorauszahlung gegen Bürgschaftsleistung ist grundsätzlich gegeben und soll im Einzelfall hinsichtlich des zu erwartenden Erfolgs geprüft werden. Auf handschriftliche Vermerke zur sachlichen und rechnerischen Richtigkeit von Rechnungen kann verzichtet werden, wenn die entsprechen Feststellung mit separater Mail erfolgt, die eine eindeutige Zuordnung zur Rechnung ermöglicht und den Bescheinigenden ausweist.

Der Erlass gilt seit dem 23. März 2020.

Wir weisen nochmals darauf hin, dass sich der Erlass auf die Baustellen des Bundes bezieht und deshalb auch nur insoweit verbindlich Anwendung findet. Er kann allerdings Signalwirkung auch für die Bauvorhaben zwischen Privaten entfalten.

Mit seinem Erlass schafft das BMI eine allgemeine Handlungsanweisung für die Baustellen des Bundes und stellt somit eine gleichmäßige Rechtsanwendung sicher.

Das Adjudikationsverfahren – ein Modell der Zukunft

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Der Europäische Gerichtshof hält das zwingende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für europarechtswidrig. In einer ersten Analyse beleuchtet Rechtsanwalt Jakob Lorenz das Urteil und die Frage nach den Auswirkungen für die Praxis.

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Herausgabe von Namens- und Adresslisten bei (Publikums-)Fondsgesellschaften

Pietschmann Legal erstreitet klageabweisendes Urteil zur Frage der Pflicht zur Herausgabe von Listen mit Namen und Anschriften aller Anleger (LG Berlin vom 12. Oktober 2018, Az.: 94 O 24/18). Die Problematik schien in Rechtsprechung und Literatur weitgehend im Sinne einer Herausgabepflicht der Geschäftsführung bzw. der Treuhandgesellschaft (bei indirekt beteiligten Anlegern) geklärt. Das Landgericht Berlin hat nochmals bestätigt, dass eine solche Herausgabepflicht bei nur indirekt über einen Treuhänder beteiligten Anlegern nur besteht, wenn diese den direkt beteiligten Gesellschaftern gleichgestellt sind. Gerichtlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob einer Herausgabepflicht die neuen Regeln der DSGVO entgegenstehen. Das Landgericht Berlin hat im entschiedenen Fall jedoch eine klare Tendenz dazu geäußert, dass die Auskunftserteilung ohne Zustimmung des jeweiligen Gesellschafters bzw. treuhänderisch beteiligten Anlegers unzulässig sei. Die neue DSGVO hat also auch auf das Recht der Publikumspersonengesellschaften (vor allem geschlossene Immobilienfonds) erhebliche Auswirkungen. Pietschmann Legal vertritt zudem die Auffassung, dass individuelle Erklärungen der betroffenen Anleger nach der DSGVO zu berücksichtigen sind.

Dr. Lorenz Neumann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Wirtschaftsmediator

Die Ausübung des Optionsrechts auf Verlängerung des Vertrages unterliegt nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB

BGH, Urteil vom 21.11.2018 – XII ZR 78/17 – NJW 2019, 990

Miet- oder Pachtverträge über Geschäftsräume werden in der Praxis häufig mit zum Teil sehr langen Befristungen unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung vereinbart. Für befristete Mietverträge sieht § 550 BGB das Schriftformerfordernis vor. Dieses besagt, dass Verträge, die für einen längeren Zeitraum als 1 Jahr geschlossen werden, der Schriftform genügen müssen. Ist dies nicht der Fall, gilt der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen und ist ordentlich kündbar – frühestens jedoch nach Ablauf eines Jahres ab Übergabe. Zusätzlich sehen die Verträge oft eine (mehrfache) Option des Mieters zur einseitigen Verlängerung des Vertrages um weitere 5 oder gar 10 Jahre vor. War in der Vergangenheit bereits unstreitig, dass die Vereinbarung eines einseitigen Optionsrechts des Mieters/Pächters zur Verlängerung des Vertrages dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliegt, herrschte für die Frage, ob die Ausübung des Optionsrechts ebenso schriftformbedürftig ist, Streit. Mit der vorliegenden Entscheidung schafft der BGH Klarheit: Die Ausübung des Optionsrechts unterliegt nicht den Anforderungen an die Schriftform gemäß § 550 BGB.

  1. Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten die Parteien des Mietvertrages über ein Gewerbeobjekt eine feste Laufzeit von zehn Jahren sowie die Option der Mieterin vereinbart, den Vertrag nach Ablauf der Vertragslaufzeit um weitere zehn Jahre zu verlängern. Der Vertrag enthielt zudem eine Schriftformklausel, wonach Änderungen und Ergänzungen des Mietvertrages der schriftlichen Vertragsform bedürfen.

Nach Mietvertragsbeginn wurde das Objekt von einem Zwangsverwalter verwaltet. Vor Ablauf der Mietzeit übermittelte die Mieterin dem Zwangsverwalter ein Computerfax ohne Unterschrift, in dem sie mitteilte, dass sie von ihrem Optionsrecht Gebrauch mache. Die Klägerin erwarb das Objekt kurz vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Festlaufzeit. Rund neun Monate später kündigte sie das Mietverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten mit der Begründung, dass die Ausübung der Verlängerungsoption nicht der Schriftform des § 550 BGB genügt habe. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht aufgrund der Ausübung einer Verlängerungs-option durch die Beklagte für weitere zehn Jahre fortbestehe.

  1. Entscheidung des BGH

Der Klägerin steht kein vorzeitiges Kündigungsrecht zu. Der BGH stellt zunächst klar, dass es für die Frage der Wirksamkeit der Optionsausübung nicht auf die vertragliche Schriftformklausel ankommt. Die Ausübung des Optionsrechts ist einseitig und kann daher von vornherein nicht der „Vertragsform“ entsprechen. Es handelt sich hierbei nicht um eine vertragliche Änderung oder Ergänzung im Sinne der Schriftformklausel.

Weiterhin liegt in der Ausübung der Verlängerungsoption durch ein nicht unterschriebenes Computerfax kein Verstoß gegen das gesetzliche Schriftformgebot des § 550 BGB. Mit der Ausübung der Option komme kein neuer Vertrag zustande. Die Option wirke unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit verlängert. Die Optionsausübung selbst ist kein von § 550 BGB erfasster Vertragsschluss. Dem stehe auch nicht der Schutzzweck der Norm entgegen. Dieser ist vor allem darauf gerichtet, einem potentiellen Erwerber des Mietobjektes, der automatisch als neuer Vermieter in den bestehenden Mietvertrag eintritt, alle Informationen über die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zu geben. Der BGH argumentiert, der Erwerber sei hinreichend geschützt, weil er infolge der Vereinbarung der Option zumindest gewarnt sei, und der Frage, ob die Option gezogen wurde, nachgehen könne.

  1. Auswirkungen für die Praxis

Aus Investorensicht birgt das Urteil nicht unerhebliche Risiken. Schließlich stellt die zum Teil sehr lange Festlaufzeit eines Mietvertrages infolge der Optionsausübung einen bedeutenden Aspekt bei der Entscheidung über den Erwerb einer Immobilie dar. Da keine Schriftform für die Optionsausübung verlangt wird, ergibt sich aus den Vertragsunterlagen selbst nicht zwangsläufig die Vertragslaufzeit. Im Rahmen der Legal Due Diligence sind daher nicht nur die Vertragsunterlagen selbst zu prüfen, sondern auch entsprechende Informationen bei den Vertragsparteien einzuholen im Hinblick auf die Laufzeit des Vertrages.

Von der Frage der ordentlichen Kündbarkeit infolge eines Schriftformmangels abzugrenzen ist die Frage der Wirksamkeit bzw. Beweisbarkeit der Vertragsverlängerung. Um insoweit für beide Vertragsparteien Rechtssicherheit zu schaffen, empfiehlt es sich, im Mietvertrag zu vereinbaren, dass die Ausübung der Verlängerungsoption schriftlich erfolgen muss. Auch wenn eine solche Vereinbarung fehlt, sollte aus Sicht des Mieters/Pächters die Ausübung der Verlängerungsoption schriftlich und mit Zugangsnachweis erfolgen.

Nadja Stoikow, LL.M.
Rechtsanwältin

– OLG Celle überträgt BGH-Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Schönheitsreparaturklauseln auf Gewerbemietverträge

Mit Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14 – NJW 2015, 1594 hatte der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen dahingehend geändert, dass in Wohnraummietverträgen die formularmäßige Übertragung der laufenden Schönheitsreparaturen AGB-rechtlich unwirksam ist, wenn die Wohnung dem Mietern bei Vertragsbeginn –  ohne angemessenen Ausgleich –  unrenoviert überlassen wird. Der BGH argumentiert, dass die Klausel den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters verpflichte und dazu führe, dass der Mieter die Wohnung ggf. in einem besseren Zustand zurückgeben müsse als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe. In seinem Beschluss vom 13. Juli 2016 – 2 U 45/16 – IBR-online hat das OLG Celle diese geänderte BGH-Rechtsprechung nun auch auf Gewerbemietverhältnisse übertragen. Der Beschluss des OLG Celle setzt die neuere Rechtsprechung des BGH fort, die bereits in anderen Konstellationen von einer Parallelität der Inhaltkontrolle von Schönheitsreparaturklauseln im Bereich der Gewerbe- und Wohnraummietverträge ausgegangen ist.  Der BGH begründet dies damit, dass für den Bereich der Schönheitsreparaturen eine Privilegierung des Wohnraummieters nach der gesetzlichen Wertung fehle.

Ungeklärt bleibt, wie hoch ein „angemessener“ Ausgleich des Vermieters zu Vertragsbeginn für die Übergabe eines unrenovierten Mietobjektes sein muss, damit die Schönheitsreparaturklausel AGB-rechtlich zulässig ist.

gez. Nadja Stoikow

Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin am 8. Juni 2016 die ersten Klagen gegen das Verbot von Ferienwohnungen in Berlin zurückgewiesen hatte (siehe unsere Anmerkungen unter „Legal Update Hotels“), hat das Gericht nun mit den Urteilen vom 9. August 2016 (VG 6 K 91.16, VG 6 K 151.16 und VG 6 K 153.16) eine Ausnahme für Zweitwohnungen zugelassen. Geklagt hatten Eigentümer von Zweitwohnungen, die ihren jeweiligen Hauptwohnsitz in Dänemark, Italien und Rostock hatten. Die Kläger nutzten ihre Zweitwohnungen zeitweise aus beruflichem Anlass oder auch für private Aufenthalte in Berlin. Für die übrige Zeit beantragten sie bei den jeweiligen Bezirksämtern eine Ausnahmegenehmigung zur vorübergehenden Vermietung als Ferienwohnung. Die Klage richtete sich gegen die Ablehnung einer solchen Ausnahmegenehmigung. Das Gericht gab der Klage statt. Ein Anspruch der Eigentümer auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung läge in diesem Fall vor. Die privaten Interessen der Eigentümer gingen hier dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraumes vor. Durch die Vermietung als Ferienwohnung während der Abwesenheit der Eigentümer trete ein Wohnraumverlust gerade nicht ein. Folglich wirke sich die Vermietung als Ferienwohnung auf die Wohnraumversorgung der Bevölkerung nicht aus.

Laut Medieninformationen hat das OLG Hamburg am 30. Juni 2016 eine Klage der A&O Hotels and Hostels gegen das Hotelportal HolidayCheck zurückgewiesen. A&O hatte die Löschung eines angeblich unwahren Bewertungsinhalts verlangt. Hintergrund des Streits war eine kritische Bewertung einer Schreiberin, die sich über den Zustand des ihr zunächst zugewiesenen Zimmers, aber auch die Sauberkeit des bereitgestellten Ersatzzimmers beschwerte. Das OLG Hamburg wies die Klage in vollem Umfang zurück. Das Gericht argumentiert, dass der Hotelbetreiber verpflichtet sei, den angeblich falschen Inhalt der Bewertung zu konkretisieren und darzulegen, wie sich die Sachlage aus seiner Sicht verhält. Damit weist das Gericht die Argumentation des Hotels zurück, wonach dem Bewertungsportal die Darlegungs- und Beweislast für die Beanstandungen obliege. Die Entscheidung des OLG Hamburg stellt die Hotels vor erhöhte Anforderungen im Zusammenhang mit der Löschung von Bewertungen auf Hotelportalen. Praktisch statuiert das OLG Hamburg eine Beweislastumkehr zulasten der Hotels. Diese müssen darlegen und beweisen, dass die Bewertung der Kunden auf falschen Tatsachenbehauptungen basiert.

In seinem Urteil vom 08. Juni 2016 – 6 K 103.16 – hat das Verwaltungsgericht Berlin die ersten Klagen von Vermietern gegen das Verbot von Ferienwohnungen in Berlin zurückgewiesen. Nach dem Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetz darf potenzieller Wohnraum nur noch dann als Ferienwohnung vermietet werden, wenn eine Ausnahmegenehmigung vorliegt. Diese wird allerdings kaum erteilt wird. Die Kläger hatten argumentiert, dass das Gesetz unverhältnismäßig sei und sie in ihrer Berufsfreiheit einschränke. Die Richter wiesen die Klage als unbegründet ab. Sie argumentieren, die Beeinträchtigung der Kläger in ihrem Gewerbe sei gerechtfertigt, weil dadurch Wohnraum zurückgewonnen werde. Dieser sei nötig, da im gesamten Berliner Stadtgebiet Wohnungsmangel herrsche. Aus der Eigentumsgarantie folge kein Anspruch, den Wohnraum mit der größtmöglichen Gewinnerwartung nutzen zu dürfen.

Laut Medieninformationen hat die Internetplattform WIMDU, über die viele Wohnungen vermittelt werden, zwischenzeitlich Berufung gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Unterliegt die Nutzung von Hotelparkplätzen durch Hotelgäste dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % oder dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 %?

Der BFH bestätigt in seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 1. März 2016 – XI R 11/14 den Regelsteuersatz von 19 % – und zwar auch dann, wenn für die Einräumung der Parkmöglichkeit kein gesondertes Entgelt berechnet wird. Der BFH stellt klar, dass bei Übernachtungen in einem Hotel nur die unmittelbar der Vermietung (Beherbergung) dienenden Leistungen des Hoteliers dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen. Bei der Einräumung von Parkmöglichkeiten sei dies nicht der Fall. Die Parkplätze dienten nicht unmittelbar der Vermietung, sondern der Verwahrung eines vom Hotelgast mitgeführten Fahrzeugs.

Laut Medieninformationen hat die Internetplattform WIMDU, über die viele Wohnungen vermittelt werden, zwischenzeitlich Berufung gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Dezember 2015 – AZ I ZR 21/14 – eine Klage der GEMA gegen das Hotel „Königshof“ in Berlin auf Gebühren wegen vermeintlicher Weiterleitung von Sendesignalen zurückgewiesen. Das Hotel hatte eine Vielzahl von Hotelzimmern mit Fernsehgeräten ausgestattet, die über eine Zimmerantenne zum Empfang des digitalen terrestrischen Fernsehprogramms (DVB-T) verfügen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Hotelbetreiber, der Hotelzimmer mit Fernsehgeräten ausstattet, mit denen Hotelgäste ausgestrahlte Fernsehsendungen lediglich über eine Zimmerantenne empfangen können, die Fernsehsendungen nicht im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG öffentlich wiedergibt und damit nicht die Rechte von Urhebern zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke verletzt. Damit schuldet der Hotelbetreiber keine Urhebervergütung.

Laut Medieninformationen hat die Internetplattform WIMDU, über die viele Wohnungen vermittelt werden, zwischenzeitlich Berufung gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.