An: 04. Mai 2022

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Die Kosten für Baustoffe und die Baupreise insgesamt haben sich auch im ersten Quartal diesen Jahres weiter drastisch nach oben entwickelt. Die Energiekrise, die in den aktuellen Preisen noch nicht vollständig abgebildet sein dürfte, wird auch für weitere Preissteigerungen sorgen. Die Erhöhungen bleiben derzeit im Wesentlichen auf die Bauprodukte und Baustoffe sowie Logistik beschränkt, dürften zeitnah aber auch die Lohnleistungen miterfassen. Die aktuelle Preissteigerung von 7,5% in der Bundesrepublik wird zu entsprechenden Lohnerhöhungen des gewerblichen und nicht gewerblichen Personals führen.

Für Bauherren wie auch Unternehmer ergeben sich hieraus schwierige Fragen, wie die Preisbildung in den Werk- und Lieferverträgen gestaltet werden kann. Bislang ist die Baukonjunktur nicht ins Stocken geraten. Dies könnte jedoch geschehen, wenn der Preisschock zu exorbitanten Preissteigerungen bei den Bauunternehmen führt und hierdurch Investitionen verhindert. Bauleistende scheuen sich derzeit, verbindliche Angebote abzugeben. Auftraggebern fehlt die Preissicherheit für die Projektkalkulation.

Es stehen eine Reihe von Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit welchen der Situation für Auftraggeber, wie Auftragnehmer Rechnung getragen werden kann. Dieses Informationsblatt soll eine kurze Übersicht über die wesentlichen Gestaltungsmöglichkeiten geben:

  1. Freibleibende Angebote

Oftmals treten bereits in der Angebotsphase erhebliche Differenzen gegenüber den Kalkulationspreisen auf. Will der anbietende Unternehmer bis zum Tage der Beauftragung die Möglichkeit wahren, seine Preise anzupassen, muss er sein Angebot deutlich sichtbar als freibleibend bezeichnen. In der Vergangenheit forderten Auftraggeber überwiegend von den Auftragnehmern, wie auch Generalunternehmer von Nachunternehmern, dass die Angebote bindend innerhalb einer zu vereinbarenden Angebotsbindefrist waren. Dies hält naturgemäß den Auftraggeber variabel, den aus seiner Sicht wirtschaftlichsten Bieter zu finden und den Vertrag durch die Annahme des Angebotes (Zuschlag) zu binden. Derzeit können jedoch Auftraggeber den potenziellen Kreis von Anbietern erweitern, wenn sie ihre Bereitschaft signalisieren, auch freibleibende Angebote zuzulassen. Dabei lässt sich das Angebot auch flexibel gestalten, indem zum Beispiel bereits im Angebot Preisanpassungsregeln aufgenommen werden. Damit ist das Angebot zwar rechtlich bindend, jedoch bei der Preisgestaltung unterliegt der spätere Vertrag den Regelungen der dort aufgenommenen Preisanpassung.

  1. Anpassungsregelung – Anpassung der Vergütung bei Preissteigerung

In den engen Grenzen des Wegfalls bzw. der Anpassung der Geschäftsgrundlage sind die in einem Bau- bzw. Werkvertrag vereinbarten Preise bindend. Kostensteigerungen, auch dann, wenn diese sehr erheblich sind, führen prinzipiell zu keinem Anspruch des Auftragnehmers auf Anpassung seiner Preise. Wann und unter welchen Voraussetzungen eine Preisanpassung nach den Kriterien des Wegfalls und der Anpassung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen, soll hier nicht weiter ausgeführt werden.

Möglich sind jedoch Regelungen, die eine Neuverhandlung oder Neubestimmung von Preisen ermöglichen. Auftraggeber und Auftragnehmer regeln dann individualvertraglich, nach welchen Kriterien, eine Anpassung der Vergütung erfolgen soll. Hier sind eine Reihe von Möglichkeiten denkbar. Wichtig ist es zu definieren, bei welcher Änderung zu welchem Zeitpunkt ab Vertragsschluss eine Anpassung eintreten soll. Eine einfache und allgemein gebräuchliche ist die Anpassung an die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Baupreise. Hier werden die Landesmesszahlen – gewogen mit den baugewerklichen Umsätzen in den Ländern – als Bundesmesszahlen berechnet. Differenzierungen sind nach Wohn- und Gewerbebauten möglich. Diese „globale“ Preisgleitung auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Baukosten dürfte typischerweise aber nur dann eine angemessene Anpassung darstellen, wenn alle Produkte und Baustoffe, die im Index aufgenommen sind, nach ihrer Gewichtung auch tatsächlich vom Auftragnehmer verwendet werden. Dies dürfte im Wesentlichen nur bei Generalunternehmer für Wohnungs- und Gewerbebau im unteren und mittleren Standard zutreffen. Nur diese haben einen typischen Branchenmix an Leistungen und Produkten. Aber auch dem Generalunternehmer hilft diese Anpassungsregelung wenig, wenn einzelne Baustoffpreise explodieren und hierdurch die komplette Kostendeckung – vom Gewinn ganz zu schweigen – über den Haufen geworfen wird. Immerhin, die Anpassung an den Baupreisindex kann eine Auffanglösung darstellen, die zu einem gewissen Ausgleich führt. Sie kann aber auch einen erheblichen Nachteil für einen Auftraggeber darstellen, der Gewerke beauftragt, die bisher preislich stabil geblieben sind, wie zum Beispiel der Tiefbau, weil dieser eher geräte- und personalkostenintensiv ist. Hier macht es aus Sicht des Auftraggebers wenig Sinn, Kostensteigerungen zu akzeptieren, die ihre Ursache in der Baukostenentwicklung für Baustoffe aus dem Hochbau haben.

  1. Preisgleitklauseln

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Preisgleitklauseln im Vertrag zu vereinbaren. Preisgleitklauseln wirken in der Regel automatisch, und zwar in der Weise, dass für Produkte, Produktgruppen oder auch für die zu erbringende Bauleistung insgesamt ein Anpassungsmechanismus vereinbart wird, dass bei bestimmten Preisveränderungen neue Preise gelten. Verfügbare Erzeugerpreise liegen für nahezu sämtliche relevanten Bauprodukte vom Statistischen Bundesamt vor, sodass risikoangemessene Regelungen im Einzelfall möglich sind. Wichtig ist es, in der vertraglichen Regelung und ihrer späteren Handhabung sicherzustellen, dass

  • die Ausgangspreise im Vertrag oder einer Anlage schriftlich fixiert sind;
  • eine repräsentative Baustoff- oder Produktgruppe, z. B. vom Statistischen Bundesamt als Vergleichsmaßstab, also die Bestimmung eines „Soll-Preises“ vereinbart wird;
  • der Geltungszeitraum und der Eintritt der Wirksamkeit der neuen Preise definiert wird;
  • mögliche Preisbindungen und Rabatte mit Lieferanten und Nachunternehmern des Auftragnehmers berücksichtigt werden.
  1. Lagerhaltung

Preissicherheit durch Lagerhaltung wurde bislang wenig diskutiert. Für Produzenten von Fertigprodukten ist jedoch schon heute die Bevorratung von Produktionsstoffen Alltag, nachdem in den vergangenen Jahrzehnen just-in-time produziert wurde. Lieferkettenprobleme und Preissteigerungen führten jedoch zu einem grundlegenden Umdenken.

Bei der Lagerhaltung können verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen, zum Beispiel:

  • bestimmte Produkte, wie Bewehrungsstähle werden in Standardlängen und Durchmessern zur Sicherung der Preise auf Lager gekauft und vom Stahlhändler eingelagert;
  • Lagerhaltung beim Nachunternehmer/Lieferanten ggf. mit Zahlung oder Teilzahlung gegen Sicherungsübereignung;
  • eigene physische Lagerhaltung des Bauherrn;
  • Lagerhaltung in Einkaufsgemeinschaften (Gemeinschaften von Bauträgern, Bauunternehmen o.ä.).
  1. Öffentliche Aufträge

Öffentliche Aufträge unterliegen der Bindung an die Vergabeunterlagen. Die Vergabehandbücher des Bundes und der Länder sehen in den Preisformblättern Nr. 224, 225 sowie 228 vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen Preisanpassungsregelungen bzw. Gleitklauseln in die Vergabeunterlagen aufgenommen werden können oder sollen.

Berlin, 5. April 2022

gez. Rainer Pietschmann
Rechtsanwalt

PIETSCHMANN LEGAL Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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